Volkszählung 2021: Weniger Babys und mehr Alte
China, das bevölkerungsreichste Land der Welt, kann und will keine jährlichen Zahlen zum Bevölkerungswachstum veröffentlichen. Die Volkszählung (auf chin.: 人口普查 rénkǒu pǔchá) findet nur alle zehn Jahre statt und dauert in der Regel rund sechs Monate. Seit Oktober letzten Jahres waren rund sieben Millionen Volkszähler von Tür zu Tür gegangen oder hatten telefonisch oder online Interviews vorgenommen. Nun steht es schwarz auf weiß: Die am Dienstag, 11. Mai 2021, veröffentlichte Volkszählung (die 7. bisher) ergab, dass die Einwohnerzahl im vergangenen Jahrzehnt um 5,4 Prozent auf 1,41 Milliarden gestiegen ist. Steigen ist gut? Hm, das ist die langsamste Steigerung seit den 1950er-Jahren!

Während Chinas Mütter Mitte der 1960er noch durchschnittlich sechs Kinder auf die Welt gebracht haben, sind es heute nur mehr 1,3 Kinder. Die Rate liegt damit auf dem Niveau von Japan, Italien und Deutschland, den Gesellschaften weltweit, die derzeit am schnellsten altern. Das Problem dabei: Während diese Länder ein Wohlstandsniveau erreicht haben, das zumindest in den nächsten Jahren für ausreichend hohe Pensionen sorgt, altert die Volksrepublik, bevor die privaten Haushalte genug Vermögen angehäuft haben, um im Alter versorgt zu sein. Dies wird eine unbeliebte Debatte in China wiederbeleben, nämlich das Pensionsantrittsalter. In China können Frauen mit 50 bzw. 55 und Männer mit 60 Jahren in Pension gehen. Noch! Die Regelung stammt noch aus den Anfängen der Volksrepublik, als die Lebenserwartung niedrig war. Heute ist den Zahlen zufolge knapp jeder fünfte Chinese schon über 60 Jahre alt (18,7 %), das sind 180 Millionen. „The Chinese population is turning grey before becoming rich“, hört man Expert*innen immer wieder sagen.

Viele von Ihnen kennen den Ausdruck „Ein-Kind-Politik“: eine Doktrin der chinesischen Führung zur Dämpfung des Bevölkerungswachstums. Fast 35 Jahre lang durfte jedes Ehepaar in den Städten nur noch ein Kind zur Welt bringen. Auf dem Land waren maximal zwei Kinder erlaubt. Wer sich nicht daran hielt, musste mit hohen Strafen rechnen. Das Bevölkerungswachstum ging tatsächlich zurück. 2016 schaffte China die Ein-Kind-Politik ab. Doch erfolgte dieser Schritt zu spät?

Durch diese Bevölkerungspolitik läuft China Gefahr, dass auf einen Schlag ein hoher Anteil der Bevölkerung in Pension geht, während der Anteil der Menschen im erwerbstätigen Alter schrumpft. Junge verheiratete Paare werden aufgerufen mehr als nur ein Kind zu bekommen, doch gerade in Metropolen kommt der Ruf bei der jüngeren Generation nicht an. In städtischen Gebieten sind die Lebenserhaltungskosten einfach zu hoch! Wohnraum, Gesundheit und Ausbildung (private Kindergärten kosten über 1.000 Euro/Monat pro Kind) – wie soll man sich da ein zweites Kind leisten können? Auch geht die Zahl der Eheschließungen zurück. Die Scheidungsrate in China ist höher als in anderen ostasiatischen Staaten, wie etwa in Japan oder Südkorea.
Die Vereinten Nationen gehen bislang davon aus, dass die Zahl der Menschen in der Volksrepublik 2030 ihren Höchststand erreichen wird. Indien wird den Berechnungen zufolge in etwa vier Jahren die Volksrepublik überholen.

Es ist und bleibt spannend, die Entwicklung der chinesischen Gesellschaft zu beobachten. Stay tuned!
