Warum wird auf diesem Blog kaum gegendert?


Vorab: Ich als Frau bin selbstverständlich kein Gegner des Genderns und meine Leser*innen würden sich sicher auch darüber freuen, aber ich bin auch ein Kind der 80er. Ich bin weder mit gegenderten Texten aufgewachsen, noch sehe ich das Gendern heutzutage als unverzichtbar an. Da sich die Geister bei diesem Thema scheiden, will ich vorab aufklären, dass dies ein Chinablog ist und in China die geschlechtergerechte Sprache kein Thema ist. Es geht sogar noch weiter: Im Chinesischen gibt es zwischen den Personalpronomen „er, sie und es“ phonetisch keinen Unterschied!

Jeder, der mit Chinesen zu tun hat, hat sicher schon erlebt, dass er und sie „verwechselt“ wurden. Selbst Chinesen, die sehr gut Deutsch oder Englisch sprechen, tappen immer wieder in diese Fremdsprachenfalle. Fehler wie „Ich war gestern bei meiner Schwester. Er ist krank.“ oder „Meine Freundin hat seine Schlüssel verloren“, sind keine Seltenheit. Aber warum ist das so?

Wie im Deutschen existiert natürlich im Chinesischen auch das Konzept der Personalpronomen:

他: er/ihm;  Aussprache: tā
Das chinesische Schriftzeichen setzt sich zusammen aus „Person“ und „auch“

她: sie/ihr;   Aussprache: tā
Das chinesische Schriftzeichen setzt sich zusammen aus „Frau“ und „auch“, d.h. durch den Austausch des Radikals (亻Mensch, Person) durch das Wurzelzeichen für „Frau“ (女) ändert sich die Bedeutung von „er“ (tā) auf „sie“ (tā).

„Moment mal… das heißt, dass er, ihm, sie und ihr auf Chinesisch komplett ident ausgesprochen wird…?“

Jepp. Genau so ist es. Und wissen Sie was? Das chinesische „es“ wird auch noch mal gleich ausgesprochen und hat selbst zwei verschiedene Zeichen, ein „es“ für Tiere (牠, Aussprache: tā) und ein zweites „es“ für Lebloses (它, Aussprache: tā). Stellen Sie sich vor, im Deutschen gäbe es nur das Wort „es“ und es müsste „er, sie, ihm, ihr, es“ ausdrücken, all diese Bedeutungen…

Aufgrund der im Chinesischen nicht vorhandenen verbalen Differenzierung fällt es chinesischen Sprachschülern sehr schwer, die Pronomen zu lernen bzw. korrekt anzuwenden. Artikel im Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ und dazugehörige Verben mit Präpositionen auswendig zu lernen, ist schon eine Sache für sich. Voller Eifer wird dann versucht, einen Text in der deutschen Sprache zu verstehen und der Lernende stolpert dann über Hürden, wie „Sehr geehrte LeserInnen“ oder „Ihre Deutschlehrer und Deutschlehrerinnen bemühen sich allen Schüler und Schülerinnen gerecht zu werden.“ – versuchen Sie mal, das ins Chinesische zu übersetzen!

Fazit

Aus den oben beschriebenen Gründen, der Einfachheit und dem kulturellen Background, habe ich mich dazu entschieden auf meinem Blog kaum zu gendern, ohne jemanden diskriminieren oder sonstig in eine Schublade stecken zu wollen. Warum kaum? Auch ich lerne stetig dazu und daher bemühe ich mich um eine geschlechterneutrale Sprache. Bitte verzeiht, wenn ihr euch angegriffen fühlt – das ist nicht meine Absicht!

Pronomen sind wichtig. Pronomen sind für manche Menschen wichtiger als für andere, aber darum geht es auf meinem Blog nicht, daher bitte ich um Verständnis, dass ich unter meinen Texten mit den Lesern nicht über das Sternchen oder Binnen-I diskutieren werde, jedoch sehr gerne über den Inhalt.

Eure
Luo Lisha

Fun Fact zum Schluss: für den Titel des Horrorfilms „Es“ von Stephen King wurde auf Chinesisch übrigens das „Tier-Es“ benutzt.